Wie war das Leben ohne Smartphone?

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Morgens um 7h läutet der Wecker am Smartphone. Wir schalten ihn ab und nehmen das schlaue Telefon mit ins Bad. Beim Zähneputzen begleitet es uns mit Musik. Beim Frühstückskaffee checken wir mit dem technischen Wunderwerk unsere Mails und mehrere Social-Media-Plattformen. Auf dem Weg ins Büro läuft YouTube, oder wir streamen Serien im Bus. Während der Arbeit nutzen wir das Handy als Taschenrechner und halten per Messenger Verbindung zu unserem Freundeskreis. Mittags holt man eine Kleinigkeit im Supermarkt am Eck und bezahlt mit dem Smartphone. Am Heimweg streamen wir wieder Serien. Das Handy erinnert uns verlässlich an einen bevorstehenden Termin. Wir schreiben auf dem Weg zum Treffpunkt, dass wir uns verspäten. Auf den letzten Metern nutzen wir das Navi. Verfehlt man sich trotzdem, sendet man einander den Live-Standort. Beim Abendessen wird nicht nur das Essen fotografiert. Auch die Selfies mit den Freunden werden geteilt. Spät Abends ruft man der Uber-App ein Fahrzeug und lässt sich heimbringen. Unterwegs fährt man schon mal die Heizung über die Smart-Home-Steuerung hoch. Daheim checkt man nochmal seine Mails und stellt den Wecker für den nächsten Morgen. Das Smartphone spielt heute eine zentrale Rolle in unserem Leben. Aber wie war das Leben ohne Smartphone? Es scheint unvorstellbar, den ganzen Tag offline zu sein und keine Verbindung zu seinen Freunden halten zu können.

Mobilfunk

Es begann Ende der 1980er-Jahre. Der Mobilfunkstandard GSM wurde 1987 eingeführt und ebnete Herstellern wie Nokia und Motorola den Weg, die Menschheit mit mobilen Telefonen zu überschwemmen. Wer in dieser Zeit zur Welt kam, hat gute Chancen, bereits in der Schulzeit ein mobiles Telefon zu besessen zu haben. Allerdings war mit den klobigen Geräten erst einmal wenig anzufangen. Die Idee unterwegs zu telefonieren gab es bereits seit Beginn der 1980er Jahre. Allerdings war es den Reichen und Schönen, vor allem aber den Kräftigen vorbehalten. Schließlich wog ein solches tragbares Telefon schon mal 10 Kilogramm. Man musste eine ausgewachsene Autobatterie mit angeschlossenem Telefonhörer mit sich herumschleppen, wollte man erreichbar sein. Die Entwicklung war allerdings rasant und schon 15 Jahre später, Ende der 1990er wurden die Telefone immer schlauer. Konnte man Anfangs mit ihnen nur telefonieren, so spielte man schon bald Snake und andere einfache Spiele auf dem einfachen Display. SMS wurden ausgetauscht und über Infrarotschnittstelle konnte man Daten mit anderen Mobiltelefonnutzern austauschen. Die Geräte wurden immer kleiner und kleiner, bestanden aber immer noch aus einem Display und einer Tastatur. Manche Modelle konnten aufgeklappt, oder aufgeschoben werden, um in der Hosentasche noch kompakter zu werden.

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In den 1990er Jahren wurde das Mobilfunknetz immer weiter ausgebaut und der Grundstein für unser heutiges Leben mit dem Smartphone gelegt

Smartphone

2007 präsentierte Steve Jobs das erste Iphone und läutete damit die Ära der Smartphones ein. Die Idee war, ein Telefon und einen PC zu kombinieren. Der Touchscreen eröffnete neue Möglichkeiten und rasch überzeugte das Konzept. Bisherige Marktführer, verschwanden schnell und wurden von Konkurrenten verdrängt, die keine Tastatur mehr einbauten. Neben dem Telefonieren kam jetzt auch der Datenverkehr dazu. Über das Mobilfunknetz konnten erstmals auch Daten übertragen werden. Edge war der erste Standard dafür und ermöglichte bescheidene Datenübertragungsraten. Was 2007 noch beeindruckte reicht heute auf keinen Fall mehr. Immer neue Mobilfunkstandards werden eingeführt und ermöglichen noch mehr Bandbreite. Das Telefonieren ist schon längst zu einer Nebensache geworden. Wir sind mit unseren Smartphones Online und nutzen für jeden Lebensbereich von der Kindererziehung, über Kochen bis hin zur Partnerschaft und Urlaube die passenden Apps. Heute sind die Geräte nicht mehr wegzudenken, aber wie war die Welt damals, als es noch keine Smartphones und nicht einmal Mobiltelefone gab?

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Erste Mobiltelefone waren klobig und groß. Modelle wie dieses waren sehr begehrt. Sie waren klein und auf dem höchsten Stand der Technik

Schwarz weiße Welt

Wer in den frühen 1970ern, oder davor geboren wurde, erlebte die ersten 20 Jahre seines Lebens im Offline-Modus. Es muss auf junge Menschen so wirken, als wäre die Welt damals noch schwarz weiß gewesen. Tatsächlich hat sich viel verändert seitdem. Autos in den 1980ern stanken abscheulich. Fährt man einmal hinter einem Oldtimer her, dann bemerkt man sofort den intensiven Gestank. Unvorstellbar, dass solche Dreckschleudern in unglaublich hohen Zahlen unterwegs waren. Eine Tatsache, die damals in den 1980ern niemanden aufgefallen ist. Es war einfach so. Genauso ist es mit den Smartphones. Das Leben wurde einfach ohne Smartphone gelebt. Allerdings war die Tatsache, dass man unterwegs offline war, überhaupt nichts Ungewöhnliches. Auch daheim gab es nichts, das mit dem heutigen Internet vergleichbar ist. Die Welt war deutlich langsamer und Globalisierung gab es noch nicht. Man kannte den eigenen Wohnort und machte dort Urlaub, wo man mit dem Auto hinkam. Ferne Länder waren mehr, oder weniger unerreichbar. Flüge waren im Verhältnis deutlich teurer, als sie es heute sind.

Wie war das Leben ohne Smartphone?

Das analoge Leben war, vergleicht man es mit heute, deutlich entschleunigt. Die Termindichte, die wir heute auch in der Freizeit haben, gab es vor 40 Jahren noch nicht. Kurzfristige Planänderungen und spontane Entscheidungen waren unüblich. Treffen wurden über das Festnetztelefon, oder bei einer persönlichen Begegnung vereinbart. Man kam überein, sich an einem definierten Datum zu einer vereinbarten Uhrzeit an einem bestimmten Ort zu treffen. An diesem Datum und zu dieser Uhrzeit waren alle dort. Die Disziplin, die Termintreue und Pünktlichkeit hatten damals einen ganz anderen Stellenwert. Kam man zu spät, waren die anderen schon weitergezogen. Sie waren auch nicht mehr erreichbar. Also konnte man nichts anderes tun, als wieder heim zu gehen. Vielleicht rief ja einer der Freunde später von einer Telefonzelle aus an. Da musste man in der Nähe des Festnetzes sein.

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Das Telefon war lange Zeit die wichtigste Form der Kommunikation. Heute hat das Smartphone diesen Platz eingenommen

Leben ohne Überfluss

Heute kann man den Fernseher 24 Stunden täglich einschalten und bekommt auf mehr als 100 Sendern Programm geboten. Früher war das anders. 1983 gab es in Deutschland 9 Fernsehsender. 2005 waren es bereits 114. Bis 1994 gab es einen Sendeschluss. Entweder die Fernsehsender schalteten am späteren Abend auf ein Testbild um, oder sendeten ganz einfach nur ein Rauschen. Vor dem Abschalten wurde auf einigen Kanälen noch die Nationalhymne gespielt. Danach war Schluss mit Fernsehen. Erst in den Morgenstunden startete das Programm wieder. Heute sehen wir uns oft machtlos einer Medienflut gegenüber und müssen entscheiden, was wir uns ansehen. Die Fernsehsender bringen 24 Stunden hochwertiges Programm. Parallel dazu kann man unter Youtube, Netflix, Prime und Disney wählen und Filme und Serien streamen, wann und wo immer man will. Alleine auf Youtube werden pro Minute unfassbare 400 Stunden Videomaterial hochgeladen. Eine Menge, die man nicht bewältigen kann. Das war früher anders. Das Leben ohne Smartphone war ein Leben ohne Überreizung. Man musste nicht wirklich entscheiden, was man sich ansah und was man hörte. Man sah sich das Fernsehprogramm an und entschied, ob man es sich ansah, oder nicht.

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Die Telefonzelle ist heute ein Auslaufmodell. Früher wurden die Geräte rege genutzt und haben viele Leben gerettet

Entschleunigung

Verspätungen waren unüblich und unhöflich. Kamen sie einmal vor, dann war davon auszugehen, dass man einen guten Grund hatte. Schließlich war der Kalender bei weitem nicht so prall gefüllt, wie heute. Man konnte nun mal nicht kurz vor dem Termin anrufen und bekannt geben, dass man sich verspäten würde. Aber die Menschen waren nicht nur entschleunigt, sie waren auch deutlich entspannter. Kinder verließen nicht selten am Morgen das Haus und wurden erst am Abend wieder gesehen. Die Eltern waren entspannt. Es gab auch nur eine Alternative dazu. Entweder das Kind wurde den ganzen Tag daheim eingesperrt, oder es dufte raus. Generell wurde den Kindern früher mehr zugetraut. Wohl auch eine Folge der Möglichkeit, ständig alle zu erreichen. Heute kann man ein Iphone günstig kaufen und dem Kind in die Hand drücken. Mit der passenden App lässt sich der Nachwuchs damit leicht orten. Früher hatte man Vertrauen. Vertrauen in die Kinder, dass sie sich nicht in Gefahr begeben, aber auch Vertrauen in die Mitmenschen, die aufeinander achteten und sich unterstützten. Auch hatte man keine Angst davor, dass jemand dem Kind etwas antun könnte.

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Verbindlichkeit und Vertrauen in den Anderen waren ohne Smartphone wichtig

Vertrauen

Vertrauen ist wohl der große Unterschied, der das Leben ohne Smartphone prägte. Man vertraute darauf, dass Kinder dorthin gingen, wohin sie gehen durften und rechtzeitig heim kamen. Man vertraute darauf, dass die anderen am Treffpunkt erscheinen würden. Verspätete man sich, vertraute man darauf, dass sie warten würden. Man traf Vereinbarungen und konnte darauf vertrauen, dass sie eingehalten wurden. Man war verbindlicher und zuverlässiger, als man es heute oft ist. Dinge wurden besprochen und nicht per Kurznachricht mitgeteilt. Es gab deutlich weniger Möglichkeiten, einander zu kontrollieren. Man musste sich glauben und vertrauen, dass der andere die Wahrheit erzählt. Gleichzeitig war man aber viel entspannter. Weniger getrieben, weniger nervös. Heute wartet man regelrecht auf eine Nachricht, oder einen Anruf. Apps, vor allem Spiele, sind so gestaltet, dass sie unser Belohnungszentrum ansprechen und uns immer wieder ans Smartphone locken. So etwas gab es vor den Smartphones nicht. Man hatte zu tun, oder man hatte Freizeit. Den Freizeitstress, wie er heute üblich ist, gab es nicht. Das Leben mit dem Smartphone ist eine wunderbare Sache. So wie jede Zeit und jede Technologie, hat es seine Nachteile, aber insgesamt bringt es uns als Menschheit Schritt für Schritt immer weiter.

Wissen ist Macht

Wie war das Leben ohne Smartphone? Ja, es war mitunter auch mühsam. Man musste Dinge im Kopf rechnen, Straßenkarten im Auto mitführen und in Telefonzellen telefonieren. Man schrieb Briefe und wartete tagelang auf Antwort. Der Vorteil war allerdings, dass man keine Ahnung hatte, dass es auch anders ging. So wie in vielen Bereichen hat unser Leben durch das Smartphone deutlich an Fahrt gewonnen. Brauchen wir eine Information, dann können wir sie überall und jederzeit abrufen. Haben wir eine Frage, erreichen wir jeden immer und überall. Der Preis dafür ist hoch, aber wohl gerechtfertigt. Das Leben ist schneller geworden, als es früher war. Wo man früher Tage wartete, sind es heute Stunden. Was Stunden dauerte, gibt es heute nach ein paar Minuten. Dabei hat Warten nicht nur Nachteile. Kommt man in einem Projekt nicht weiter, weil eine Information fehlt, kann man sie heute einfach googeln. Früher musste man mehr Zeit einrechnen. Man musste Bücher lesen und die Information abschreiben. Dieser Aufwand entfällt zwar, aber auch die Erwartungshaltung hat sich geändert. Während früher jeder verstand, dass Dinge eben Zeit brauchen, sind wir heute verwöhnt und erwarten alle Lösungen in kürzester Zeit. Ein Umstand, der uns allen zur Last fällt.

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Auch während einem Gespräch checken wir, oft unbewußt, das Smartphone. Sich auf eine Sache zu konzentrieren fällt uns heute schwer

Der Preis der Geschwindigkeit

Wir alle sind im Job und im Privatleben gefordert, schnell zu sein. Gut Ding brauchte früher Weile. Jetzt darf es das nicht mehr. Heute werden Ergebnisse gefordert und der Schnelle frisst den Langsamen. Ständige Erreichbarkeit und rasche Reaktionen kosten uns viel Kraft. Multitasking und chronische Überlast, sind die Folgen. Das Leben ohne Smartphone war nicht in jeder Hinsicht besser, aber man konzentrierte sich immer nur auf eine Sache. Wer sich heute mit einem Freund trifft, hält parallel dazu Kontakt mit der Freundin. Wir sprechen mit einem Menschen und schreiben mit einigen anderen. Wir checken Nachrichten und Neuigkeiten, statt uns auf unser Gegenüber völlig zu konzentrieren. So ist es in vielen Lebensbereichen heute. Es gibt kaum eine Sache, auf die wir uns voll und ganz konzentrieren können. Stattdessen sind wir halbherzig bei der Sache, hören nur mit einem Ohr zu und sind geistig abwesend. Das Leben ohne Smartphone war ruhiger und entspannter. Es war geprägt von Vertrauen. Man konnte sich auf eine Sache konzentrieren und hatte einfach viel weniger zu tun. Die Zeit wurde genutzt, aber nicht überladen. Es war eine schöne Zeit.